23. Februar 2014

Eine feine Dame

In letzter Zeit bekomme ich von meinem Lebensgefährten des öfteren zu hören, dass eine feine Dame „so etwas nicht sagt“ oder „so etwas nicht tut“. Ich frage mich, woher er weiß, wie feine Damen sich für gewöhnlich verhalten und in welchen Kreisen er verkehrt, wenn wir uns mal ein paar Tage nicht sehen. Vielleicht nimmt er neben seiner Lehrertätigkeit an einem Butler-Seminar teil und überrascht mich an Weihnachten mit einem perfekt gedeckten Tisch, Messerbänkchen, poliertem Silber und steifen Stoffservietten.

Gern gebe ich zu, dass meine Gedankenstruktur und mein Humor zuweilen männliche, ja fast deftige Züge haben. Es ist mir manchmal selber peinlich. Und mein Ehrlichkeits-Tourette, das macht mir auch zu schaffen. Seit mehreren Wochen gönne ich mir einen täglichen Cocktail aus Ibuprofen, Tetrazepam und Tilidintropfen, bei letzteren verspricht ja schon der Name, dass der Patient ein bisschen tilidin im Kopf wird, also gaga.

Mit meiner Physiotherapeutin, dem Fräulein Braun, führe ich zuweilen lustige Gespräche. Ich weiß, sie macht das nur, damit ich von ihrem schmerzhaften Kneten und Drücken abgelenkt wird. Sie versucht unter anderem, mein Schulterblatt auszuhebeln, und ich wundere mich, welche Kraft die recht zierliche Person mit dem kobaltblau gefärbtem Haar hat. Sie kommt aus Stralsund und ist eine Rockabilly. Bei meiner letzten Massagen plapperten wir über dies und das und unsere Männer, da drückt sie wieder mein Schulterblatt nach oben. Ich liege mit dem Gesicht nach unten und presse „sie hinterlistiges kleines Miststück“ hervor. Das habe ich wirklich gesagt, ich schwöre. 
Zum Glück lacht sie, weil sie cool ist und beschwichtigt, sie wüsste ja, dass das furchtbar weh tut, aber sie müsste das Schulterblatt lösen und sie füge mir die Schmerzen nicht gerne zu. Ich sagte ihr, dass ich ihr nicht glaube und frage, warum sie nicht ihrer wahren Neigung nachginge und ein Domina-Studio eröffnen würde. Die Frauen aus dem Osten sind sehr kess. „Wir haben tatsächlich darüber nachgedacht, dann würden wir viel mehr verdienen.“

Als ich die heute am Feiertagsmorgen meinem Freund erzähle, zuckt er innerlich zusammen. „Eine feine Dame sagt so was nicht.“ „Ich bin keine feine Dame, habe ich nie behauptet.“ Der Lebensgefährte hat keinen Sinn für die Vorliebe für Peitschen, Lack und Leder nicht, aber er hat eine andere hervorragende Idee.

„Es müsste ein Domina-Studio für Ökos geben.“

„Und was soll das passieren?“

„Keine Schläge, mehr verbale Dominanz.“

„Wär das auch was für dich?“

„.............“

„Wie soll das laufen? Die Domina stellt sich vor den Öko und sagt: Wähl...C...D..U!!!“

„So genau weiß ich das auch nicht.“

„Ich kann dich mal mit Sandra (eine Bekannte, Name wurde geändert) zum Einkaufen schicken. Dann haste verbale Dominanz.“

„Bloß nicht!“

Ich mag unsere Feiertagsmorgendialoge, mit dem Medikamenten-Cocktail finde ich sie noch lustiger.

„Ich schreib einen Artikel über das, was wir jetzt besprochen haben.“

„Ja, mach das. Obwohl...eine feine Dame tut so was nicht.“



Der Lebensgefährte kann mich mal, der feine Herr.

:-)