20. März 2014

Der braune Daumen




Vielleicht geht sie ins Gartencenter, mailt mir meine Freundin Pia an einem besonders sonnigen Tag der letzten Woche. Im Gartencenter ist sie glücklich, das Grün tut ihr gut. Grün ist schön. Ich habe mich beim Spaziergang am Rhein so sehr an den Bäumen und der satten Wiese erfreut, an dem violetten Krokusteppich und den Magnolien. Eine echte Wohltat für Augen und Gemüt.

Bei dem Erwähnen des Gartencenters, da kann ich allerdings Pias Euphorie nicht teilen.   Was Pflanzen angeht, also selbst gepflanzte Pflanzen, da gibt es nichts, womit ich angeben könnte. Im Gegenteil. Wenn ich ein Gartencenter betrete, dann bekomme ich schon vor dem Kauf der Blumen, mit denen ich meinen kleinen Balkon verschönern möchte, ein schlechtes Gewissen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten sich einen Hund aus einem Tierheim zu sich nach Hause holen. Ein besonders hübscher springt freudig im Käfig auf. Sie entscheiden sich für ihn, obwohl sie wissen, dass das arme Tier das nicht überleben wird. Weil Sie vergessen werden, ihn zu füttern oder ihm zuviel Futter geben. 


So ähnlich fühle ich mich, wenn mich mein Weg ausnahmsweise in einen Pflanzenmarkt führt, weil ich auch mal so sein will wie andere Frauen. Frauen wie Helga, meine Kollegin und Freundin, die es liebt, ihre Hände tief in Erde zu stecken und ausflippt, wenn ihre Setzlinge sprießen. Dieses Gefühl würde ich von Herzen gern nachvollziehen, aber ich werde nie erfahren, denn was Pflanzen angeht, bin ich schlecht. Eine grausame Mutter von braunblättrigem Efeu und ersoffenem Phlox. Ich bin schlecht, schlecht, schlecht.

Wenn vom Hinterhofgarten des Hauses, in dem ich seit vielen Jahren leben, im Frühjahr und Sommer der Blick vom Erdgeschoss nach oben wandert, fällt mein Balkon direkt ins Auge, denn im Gegensatz zu frischen Kräutern, fröhlichen Margeriten oder Geranien im Terracotta-Topf sieht man im 3. Obergeschoss rechts: Nüscht. Oder nur sporadisch Versuche meiner Balkonbepflanzung, wenn zum Beispiel meine Freunde mir wunderbare Hängetöpfe mit hübschen Blumen schenken wie letztes Jahr zu meinem Geburtstag. Die Hyazinthen und Osterglöckchen schossen wie verrückt in die Höhe und knickten an einem stürmischen und regnerischen Tag einfach ab. Wieder fühlte ich mich schuldig. Obwohl ich weder für Stürme noch die pralle Sonne, die von morgens 10 bis nachmittags um 3 auf meinen Balkon knallt, wirklich nichts kann. 


Salz in die Wunden meiner Pflanzunfähigkeit sind Bilder meiner Facebook-Freunde im Netz. Sie zeigen stolz die Ergebnisse ganzer Wochenenden vor oder hinter dem Haus oder auf ihren Balkonen, die sie mit Buddeln, Harken, Setzen, Düngen verbracht haben. Jede Narzisse, jedes Duftveilchen verhöhnt mich. Die einzige Pflanze, die seit Jahren an meiner Seite lebt(!), ist eine Sukkulente. Diese – laut Wikipedia – recht robuste Pflanze war ursprünglich ein kleiner Ableger von Freunden, den diese aus Mallorca mitgebracht hatten. Ich spreche weder mit Sukki noch gieße ich sie außergewöhnlich oft. Sie ist einfach da. Warum kann nicht alles im Leben so einfach sein? 



Emanzipation hin oder her, Ich denke, Frauen sollten ein Händchen für Pflanzen haben. Ein grüner Daumen macht aus jeder Frau eine attraktive Frau. Und wenn diese Sorte Frau auf ihren leicht gebräunten Teint angesprochen wird, dann lächelt sie glückselig und flötet „Ach, ich war am Sonntag den ganzen Tag im Garten“. Bei solchen Aussagen kann ich nur betreten auf meine Fußspitzen starren.


Diese Frauen, die so anders sind als ich, die können hoffentlich wenigstens nicht kochen. Kochen kann ich nämlich. Sogar Gemüse. Und Gemüse sind ja auch Pflanzen.


Doch, irgendwie schon.  

Und es ist nicht so, dass ich Frauen, die gut mit Blumen können, nicht mag. Sie schüchtern mich bloß ein. So wie meine Freundin Pia, die kleine Balkonstreberin. Lesen Sie selbst