2. Oktober 2014

Konfrontationstherapie gegen Vorleseangst


Ich schreibe gern.
Ich lese gern.
Ich lese aber nicht gern laut vor.

Schuld daran sind Christine Umbach, Frau Maser und die Sache mit dem Vorlesewettbewerb in der 7. Klasse. 

Ich war eine gute Schülerin im Fach Deutsch, ich las (damals) auch laut vor und in unserer Kreisstadt sollte ein Vorlesewettbewerb stattfinden. Als Vertreterin unserer Schule stand ich zur Debatte. Und Christine Umbach. Christine war ein ordentliches, braves Mädchen und nicht so vorlaut wie ich. Meine Deutschlehrerin konnte sich nicht zwischen uns beiden entscheiden und schickte uns deshalb zum Vorlesen in die Deutschstunde der 10. Klasse, und zwar in die Klasse von Frau Maser, die mir damals furchteinflößend streng und dominant erschien. Außerdem hatte sie mich kurz zuvor gemaßregelt, weil ich mir während ihres Geschichtsunterrichts die Haare gekämmt hatte.


Die Tatsache, dass in genau der Klasse ein Schüler saß, in den ich damals ziemlich ver- guckt war, ließ meine Vorfreude auch nicht ins Schwindelerregende steigen. Zumindest den musste ich beeindrucken, ich suchte mir eine Kurzgeschichte aus, die nicht zu kindlich erschien (leider habe ich vergessen welche). Christine las ein Kapitel aus "Das fliegenden Klassenzimmer" von Erich Kästner vor.


Sie las gut, richtig mit Verve und melodiöser Stimme und gezielt gesetzten Pausen. Ich 
war danach dran und konnte nur verlieren. Meine Nase war zu, in meinem Hals kratzte es und ich durfte auf gar keinen Fall in die Richtung des von mir Angeschmachteten gucken. Heraus kam ein monotones, viel zu schnelles Herunterrasseln inklusive Nasehochzie-hen. Es war erbarmungswürdig. Frau Maser analysierte, ließ kurz in der Klasse abstim-  men und sagte dann kurz und zackig, wie es ihre Art war: "Unsere Empfehlung ist Christine."

Seitdem lese ich nicht mehr gern laut vor.

Am 08. November muss ich aber. Na, müssen ist übertrieben. Ich habe mich freiwillig gemeldet, zusammen mit meinen Mitautoren des literarischen Reiseführers "Düsseldorf Walking" Sven-André Dreyer, Regina Vollmers und Michael Wenzel aus eben jenem Buch vorzulesen und noch ein, zwei weitere Geschichten vorzustellen. Die Veranstaltung findet in im Atelier D´Village im Hof der Friedrichstraße 112, ab 19 Uhr statt.



Im Publikum wird wahrscheinlich wieder jemand sitzen, in den ich verguckt bin, aber den kenne ich schon. Über weitere Menschen, die Interesse an Literatur und Kunst haben und die meiner Konfrontationstherapie gegen Vorleseangst beiwohnen wollen, freue ich mich. 
Wie Bolle.

ACHTUNG: DIE VERANSTALTUNG HAT DIE MAXIMALE ZUSCHAUERZAHL ERREICHT. WEITERE ANMELDUNGEN SIND NICHT MÖGLICH, EBENSO WIE SPONTANER EINLASS AM VERANSTALTUNGSABEND. 

DANKE FÜR DIE ZAHLREICHEN ANMELDUNGEN :-)