17. Februar 2015

Su lang mer noch am lääve sin



Su lang mer noch am lääve sin,
am laache, kriesche, danze sin,
su lang mer noch am lääve sin.  


Diese Liedzeilen hauen mich fast aus meinen neonpinkbestrumpften Stiefeln.

Ich will Altweiber feiern. Ich will ein bisschen trinken und tanzen und lustig sein.

Kann man lustig sein, obwohl man tief im Inneren traurig ist? 

Kurz hatte ich überlegt, sämtliche Karnevalfeierlichkeiten abzusagen, eine Stimme im Hinterkopf murmelte etwas von "pietätlos" und "gehört sich nicht" und "was sollen die Leute denken, wenn du Karneval feierst, obwohl dein Vater erst vor ein paar Wochen verstorben ist". Ich entscheide 
mich für das Feiern, ich kann jederzeit nach Hause gehen. Wenn ich will.

So sitze ich an Altweiber im Büro, trinke Sekt, checke Mails und beiße gerade in mein Fortuna-Brötchen (Weizenbrötchen mit Schaumkuss aka Mohrenkopf), als die Brings aus dem Radio ertönen.

Su lang mer noch am lääve sin,
am laache, kriesche, danze sin,
su lang mer noch am lääve sin.  


Ich singe mit.
Ich höre hin.
Ich verstehe den Text. 

So lang wir noch am Leben sind
am Lachen, Weinen, Tanzen sind
so lang wir noch am Leben sind.

 
Das Kölsche Carpe diem.

Ich denke an meinen lieben Papa, der nicht mehr am lääve is.
Ich denke an andere Menschen, die meinen Lebensweg begleitet haben und nicht mehr am lääve sin.  

Ich würge an meinem Fortuna-Brötchen.
Der Brings-Song hatte mich erwischt. Volle Breitseite. 

Aschermittwochstimmung am Altweiberdonnerstag.

Su lang mer noch am lääve sin,
am laache, kriesche, danze sin,
su lang mer noch am lääve sin. 


Zum Kriesche gehe ich kurz aufs Klo, putzte mir die Nase und schminke meine Augen nach.

Judith drückt mir ein Glas Sekt in die Hand und stößt mit mir und den anderen Mädels auf meinen Vater an.

Er hätte gewollt, dass es mir gut geht. Heute, an meinem Geburtstag.

Prost, Papa.

Und HELAU.





Foto: privat