26. April 2016

Büffelgraswodka

"Da, da ist ein Supermarkt. Können wir nicht kurz anhalten, damit wir uns Kuhbonbons kaufen können?"

"Und Büffelgraswodka!"

Darko, der Leiter unserer Gruppe während einer fünftägigen Reise von Danzig über Masuren in den Bialowieski-Urwald an der weißrussische Grenze und weiter nach Warschau, vertröstete uns wieder einmal. "Wir werden noch an vielen Supermärkten vorbeikommen."

Wir wollten aber nicht vorbei, wir wollten rein in den Supermarkt.

Mein Mitreisender Michael wollte seinen Lieben Kuhbonbons mitbringen, die süßen leckeren Dinger aus Weichkaramell, die unser Polyglott-Reiseführer als Souvenir empfahl. Eine weitere Empfehlung war: Büffelgraswodka.

Sie können das nicht wissen, aber meine Freunde und ich machen im Mai oder Juni ein traditionelles Spargelessen mit begleitetem Weißwein (was sonst?) und danach Wodka (aaaah!). Für mich war der Erwerb des Original Büffelgraswodka also sehr wichtig.

Wir schaukelten bis an die fünf Stunden über Landstraßen mit Feldwegcharakter und guckten ins Grün. Felder, Wiesen, Birkenwälder mit Buschwindröschenteppich. Und immer, wenn die Zivilisation in Form einer kleinen Ortschaft auftauchte, rief Michael: "Ein Supermarkt. Können wir nicht aussteigen und eben kurz Kuhbonbons kaufen?" Und ich rief: "Und Büffelgraswodka!" Darko, ansonsten ein wunderbarer Reiseführer, ignorierte weiter diese Bitte. Mit Geschichte und Natur kannte er sich bestens aus, leider verstand er nicht die Dringlichkeit unserer Kaufwünsche.

Die höfliche Bitte, doch einmal anzuhalten, verkümmerte zu einem pubertären Quengeln:

"Kuhbonbons!"
"Büffelgraswodka. Menno!"

Ich vermute, dass die Reisegruppe inzwischen von meiner Forderung ein wenig genervt war. War mir egal, ich dachte an das Spargelessen.

Da wir zwei Nächte in Hotels an pittoresken Plätzen mitten im Fastnichts unsere Häupter niederlegten und/oder einen straffen Zeitplan hatten, ergab sich die Shoppinggelegenheit erst am letzten Tag in Warschau. Immerhin. Wir hatten eine Stunde Zeit, uns im "Arcadia" auszutoben, und meine Füße trugen mich geradewegs ins Carrefour. Ich wunderte mich, dass es neben ALDI, LIDL, Deichmann, Rossmann, Obi, Praktiker, Media Markt und SATURN auch französische Supermarktketten wie Intermarché, Leclerc und eben Carrefour gab. Darko erzählte, dass nach der Wende 1989 die Franzosen die ersten waren, die ihre Geschäfte in Polen eröffneten.

Zurück in die Spirituosenabteilung. Wodka links, Wodka rechts. Viel Wodka.
Da, da stand er: Mein Büffelgraswodka! Nicht der empfohlene von Grasovka, aber immerhin der von Zubrowka. Ich war nach tagelanger Quengelei genügsam geworden und kaufte die teurere Variante von Zubrowka sowie einen wilden Bonbon-Mix, natürlich auch Kuhbonbons.
Yeah, ich hatte meine Mitbringsel für die Lieben daheim. Beide packte ich eine Tüte, die ich fest verknotete und in meinem Koffer verstaute, da Flüssigkeiten über 100 ml nicht ins Handgepäck dürfen. Diese Regelung dient der Terrorabwehr.

Mit dem Verstauen gab ich mir besondere Mühe, mein flüssiges Mitbringsel sollte nicht kaputt gehen. Obwohl Wodka keine Rotweinflecken machen konnte, wäre ich untröstlich gewesen.

Zuhause in Düsseldorf stieg ich aus dem Flughafenbus und hatte sofort schlechte Laune.

1. Es regnete.
2. Es war saukalt.
3. Ich musste den megaschweren Koffer hinter mir herziehen.
4. Ich musste den megaschweren Koffer in den 3. Stock (Altbau, also gefühlt 4. Stock)   schleppen.

Ich räumte die Schmutzwäsche und den Beutel mit den Schuhen bereits unten im Flur aus. Vorsichtshalber wollte ich die Carrefour-Tüte ebenfalls aus dem Koffer holen.

Die Tüte war gerissen, an der Seite befand sich ein großes Loch.
Die Bonbontüten waren darin.
Die Flasche mit dem Zubrowka-Büffelgraswodka war weg.

Auch wenn mir klar war, dass jemand diese Flasche gestohlen haben musste, durchwühlte ich wild meinen Koffer und warf alle Kleidungsstücke in den Hausflur. Es blieb dabei: Die Flasche war weg.


Wo ist mein Wodka?
Ich fluchte.
Diese blöde Antiterror-Regelung. Hätte ich den Wodka im Rucksack gehabt, wäre das nicht passiert. Ich erinnerte mich, dass ich vor der Abreise überlegt hatte, das Schloss für den Koffer zu benutzen. Und mich blöd fand, weil ich mir bisher nie Gedanken darüber gemacht hatte, dass jemand etwas aus meinem Koffer klaut. Kaum gestohlen, schon in Polen. Haha, nee, kein Schloss. Ich wusste ehrlich gesagt auch nicht mehr, wie es funktioniert und stellte mir vor, wie ich vor Ort nicht in der Lage sein würde, es zu öffnen und als Folge dessen fünf Tage in derselben Unterhose herumlaufen müsste.

Ich war politisch korrekt und bekam nun einen Tritt in den Hintern für meine Gutgläubigkeit. Dziekuje bardzo! Danke sehr!

Nun weiß ich nicht, ob sich ein polnischer oder deutscher Gepäckkontrolleur über meinen Büffelgraswodka gefreut hat. Bei Ankunft auf dem Gepäckband in Düsseldorf war mein Koffer nass und die meiner Mitreisenden nicht. Es ist durchaus möglich, dass ich mich über einen Jens statt über einen Stanislaw aufregen sollte.

Ich war so sauer, dass ich drei Kuhbonbons essen musste.
Alle auf einmal.




Beruhigungsmittel

Und den Wodka, den bestelle ich mir jetzt online.
Auch wenn das ganz und gar nicht dasselbe ist.