Johanna und Jonathan stellten sich auf ihre
Zehenspitzen und schoben die Münzen durch das Fensterchen. „Zwei
Fahrkarten, bitte“, sagte Jonathan.
"Für mich auch", sagte Johanna. "Aber gerne doch“, sagte die Frau an
der Kasse und gab Johanna und Jonathan jeweils einen blauen Chip und
einen goldenen, der genauso funkelte wie einer ihrer Zähne. "Warum ist
der eine Chip aus Gold?“ fragte Johanna. "Das ist eine besondere
Fahrkarte für eine ganz besondere Fahrt“, lächelte die Frau an der
Kasse. Johanna und Jonathan rannten zur Lokomotive, die ganz vorne war
und den Zug anführte. Beide Kinder waren schon groß genug, um alleine
einzusteigen. Ihre Eltern standen mit ihren Freunden am Glühweinstand
und quatschten. "Huhu!“ rief Johannas Mama und winkte. Die Kinder
winkten zurück. "Sollen wir erst einen blauen Chip abgeben oder sollen
wir den goldenen nehmen?“ „Nö, erst den blauen.“ Der Mann, der die
Fahrkarten einsammelte, ging von Fahrzeug zu Fahrzeug und kam auch ganz
nach vorn zur Lokomotive.
Die Fahrt ging los. Erst ging es geradeaus, was ein bisschen
langweilig war, und dann kam der Supidupi-Berg, wie Johanna und Jonathan
den Hügel nannten, über den der Zug fuhr. Den Supidupi-Berg kannten
beide schon vom letzten Jahr. Da hatte das Karussell auch auf dem
Weihnachtsmarkt gestanden. Wenn der Zug den Berg wieder runterfuhr,
bekam man ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Jonathan läutete wild die
Glocke. Johanna wollte auch. Nach vier Runden kam der Zug zum Stehen.
„Macht mal ´ne Pause, ihr beiden“, rief Jonathans Vater. Die Kinder
schüttelten ihre Köpfe. Bei den Erwachsenen stehen war voll doof. Die
tranken immer nur den blöden Glühwein und waren dann total albern. „Na,
gut“, sagte Jonathans Vater, „noch einmal fahren.“
Die Kinder blieben in der Lokomotive sitzen, sie saßen am
allerliebsten vorne und waren der Chef vom Weihnachtszug. Beide. Jetzt
kam wieder der Mann, um die Chips einzusammeln. Als Johanna und Jonathan
die goldenen Fahrkarten abgaben, lächelte der Mann. In seinem Mund
funkelte ein Goldzahn, genauso wie bei der Frau an der Kasse. „Oh, das
wird aber eine ganz besondere Fahrt.“ Johanna und Jonathan schauten sich
an. Was hatte das wohl zu bedeuten?
Der Zug bewegte sich und Johanna läutete die Glocke der Lokomotive.
Erst ging es geradeaus. Wie immer. Dann fuhr der Zug den Supidupi-Berg
hoch. Hey, was war denn nun los? Die Lokomotive löste sich aus den
Schienen und fuhr steil nach oben, über das Kassenhäuschen hinweg.
Johanna klammerte sich an Jonathan und schaute nach unten.
"Ma...Mamaaaa", rief sie, aber Mama quatschte natürlich gerade wieder
mit Britta und merkte nichts. Sie wurde kleiner und kleiner, genauso wie alle anderen
Menschen auf dem Weihnachstmarkt. Die Lok fuhr weiter nach oben in den
Himmel, durch die Wolken, höher und höher. Johanna musste ein bisschen
weinen. Jonathan, der alles sehr spannend fand, legte den Arm um sie.
Über den Wolken fuhr die Lokomotive wieder geradeaus, wurde langsamer
und blieb schließlich vor einem goldenen Tor stehen. Johanna und
Jonathan stiegen von der Lokomotive herunter. Am Tor war eine Klingel
angebracht, unter der Klingel stand auf einem Schild "Niko Laus", aber
das konnten die beiden Kinder noch nicht lesen. Jonathan drückte auf die
Klingel. "Nicht", schrie Johanna, aber es war zu spät. Durch die
Sprechanlage brüllte jemand ziemlich wütend: "Ja, was ist denn?" "Äh,
hier sind Johanna und Jonathan, die Lok vom Weihnachtszug hat uns
hierher gebracht." "Na prima, kommt rein", sagte die Stimme nun
wesentlich freundlicher.
Die Türen des goldenen Tors öffneten sich quietschend. Johanna und
Jonathan nahmen sich an den Händen und gingen hindurch. Auf den Wolken
zu gehen, war überhaupt kein Problem. Lustig war das. Die Kinder gingen
auf ein kleines schickes weißes Haus zu. In der Haustür stand ein dicker
älterer Mann mit Bart. Er trug eine rote Zipfelmütze, einen roten
Bademantel und rote Pantoffeln. DER WEIHNACHTSMANN! "Oh, oh, jetzt
gibt´s Ärger", dachte Jonathan. Er hatte auf seinen Wunschzettel fast
alles aus dem Playmobil-Heft geklebt. Das war vielleicht doch ein
bisschen viel.
Der Weihnachtsmann griff sich an seinen Rücken und stöhnte. "Gut,
dass Ihr da seid. Ich brauche dringend Hilfe beim Geschenke verteilen.
Hab´s an der Bandscheibe." "Hat mein Papa auch schon mal gehabt", sagte
Jonathan verständnisvoll.
"Was ist dem mit dem Christkind?", fragte Johanna, die jetzt
überhaupt keine Angst mehr hatte, "kann das Christkind dir nicht
helfen?"
"Leider, leider haben wir uns total gestritten. Chris hat sich
geärgert, weil ich immer den Kühlschrank leer futtere und meine
Barthaare im Waschbecken liegen. In einer WG zusammen zu wohnen, ist gar
nicht so einfach, das kann ich Euch sagen. Das Christkind ist auf einen
Selbstfindungstrip gegangen und hat mich völlig allein gelassen mit
der ganzen Arbeit." Johanna und Jonathan wussten nicht, was eine WG und
ein Selbstfindungsdings waren. Sie merkten aber, dass der Weihnachtsmann
dringend Hilfe brauchte. Er konnte sich nur langsam bewegen und hatte
starke Schmerzen.
"Was sollen wir denn jetzt machen?" fragte Jonathan den
Weihnachtsmann. "Die Geschenke sind schon verpackt und stehen hinten im
Geräteschuppen. An den Paketen sind Zettel mit den Adressen der Kinder,
die die Geschenke bekommen sollen, fest gemacht. "Wir können aber noch
gar nicht lesen", sagte Johanna. "Das macht nichts, ich fahre mit euch
im Schlitten mit. Ihr müsst nur die Päckchen zu den Häusern bringen, mit
dem Zauberschlüssel die Haustüren öffnen und die Geschenke unter den
Weihnachtsbaum stellen. Ihr dürft Euch aber nicht erwischen lassen! So,
ich muss nur eben etwas anderes anziehen, im Bademantel wird es mir echt
zu kalt."
Während der Weihnachtsmann sich wärmer anzog, gingen die Kinder
schon mal zum Geräteschuppen und trugen die Pakete zum Schlitten. Die
Rentiere, die vor den Schlitten gespannt waren, sagten freundlich Hallo.
Boah, waren die Päckchen schwer, zum Teil mussten Johanna und Jonathan
die Geschenke zu zweit tragen. Sie schwitzen sehr, aber es machte ihnen
eine wahnsinnige Freude dem Weihnachtsmann helfen zu können.
Endlich konnte es los gehen. Die Rentiere zogen den Schlitten, der
Weihnachtsmann saß vorne, Johanna und Jonathan hinten bei den
Geschenken. Wow, der Schlitten hatte ein ganz schönes Tempo drauf, in
den Kurven mussten die Kinder die Geschenke festhalten. Als der
Schlitten durch die Wolkendecke flog, wackelte es ganz doll. Jonathan
hielt sich an Johanna fest, rutschte aber ab und fiel aus dem Schlitten.
"Aua!". Jonathan öffnete die Augen. Er lag auf dem Fußboden neben
einem Bett. Das war gar nicht sein Bett und nicht sein Kinderzimmer. Das
war das Bett von Britta, in dem auch Johanna schlief. Nebenan aus dem
Wohnzimmer hörte er Stimmen, Musik und Gelächter. Jonathan kletterte
wieder ins Bett. Er machte seine Augen fest zu, weil er ganz schnell
wieder einschlafen und weiter träumen wollte. Er musste doch unbedingt
heraus finden, ob alle Geschenke rechtzeitig verteilt worden waren. Sein
Kumpel, der Weihnachtsmann, hatte sich doch sicher so sehr über die Hilfe gefreut, dass
er Jonathan ganz bestimmt alle Sachen aus dem Playmobil-Heft schenken
würde.
Ganz bestimmt.
Ich wünsche allen meinen Blog-Lesern und -Leserinnen ein gemütliches Fest, entspannte Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Danke für eure Lesetreue. Wenn ihr meinen Blog weiterempfehlt, macht ihr mir das beste Weihnachtsgeschenk. :-)