19. Juli 2015

Urlaub und die Sache mit den GGS

Ich fotografiere gern. Besonders im Urlaub.

Was gibt es Schöneres, als sich an einem verregneten Novembernachmittag Bilder vom Sommerurlaub anzugucken und in Erinnerungen zu schwelgen?

Ich fotografiere Landschaften, Straßenschilder, Skurriles, Normales, auch Menschen mit 18fach-Zoom, obwohl man das nicht soll. 

 
 

Und ich möchte auch auf Fotos mit drauf sein, ich freue mich später über ein paar "Ich war da"-Beweise.

Sehr zum Leidwesen meines Lebensgefährten und Miturlaubers. Wir sind zu zweit unterwegs, wer außer ihm käme also in Frage mich zu knipsen?

In meinem noch nicht veröffentlichten Beziehungsratgeber für Männer Romantik tut gar nicht weh heißt es: "Fragen Sie Ihre Partnerin, wenn Sie gemeinsam unterwegs sind, ob Sie nicht ein Foto von ihr machen dürfen, wo doch gerade die Sonne flammenrot untergeht / die Hortensien so hübsch blühen / der Wildbach rauscht. Sagen Sie ihr, dass sie durch ihre Anwesenheit die wunderbare Umgebung veredeln wird, bestehen Sie auf ein Foto mit ihr als Mittelpunkt."

Mein Freund hat den Ratgeber nicht gelesen. Das Buch ist ja noch nicht veröffentlicht. Die Realität ist anders. Ich frage: "Duhu, kannst du vielleicht mal ein Foto von mir machen mit dem Felsen im Hintergrund, aber so, dass ich nicht in der Mitte des Bildes stehe und das Schiff zu sehen ist. Mach schnell, das Schiff segelt weiter. Nein, nicht wieder von unten!!!" Mein Lebensgefährte hält meine Kamera in Brusthöhe (seine Brust) und dann schräg nach oben, wo doch jeder Zweijährige weiß, dass diese Fotografiertechnik aus einem Doppel- ein Vierfachkinn macht. Wir diskutieren so lange, bis das weiße Segelschiff in den Horizont gesegelt ist. Es ist zum Heulen. 

Umgekehrt war es am Phare de Gatteville, dem zweitgrößten Leuchtturm Europas. Ich gebe zu, dass es schwierig ist, mich und den 75 Meter hohen Turm zusammen auf ein Bild zu bringen. Da muss der Fotograf ein wenig in (auf) die Knie gehen und knipsen. Ich rief dem unwilligen Starfotografen zu: "Fotografier bitte von unten!" - "Du sagst doch immer, ich soll dich nicht von unten fotografieren!" - "Hier geht es Ausnahmsweise um den Turm und nicht um mich. Es reicht, wenn ich bis zum Bauchnabel drauf bin, der Rest ist eh nicht sehenswert!" Und auch über diese Diskussion bricht fast die Dunkelheit herein.

Noch schlimmer ist es, wenn ich "Du warst da"-Fotos von meinem Liebsten machen möchte. Er geht, vermute ich, lieber zum Zahnarzt und lässt sich eine Wurzel ziehen. Der große Grinsebär ist er ohnehin nicht, aber auf Fotos friert er sein besonders ernstes Gesicht ein. Das erfordert sehr viel Geduld. Also auch seine Geduld.

 Denn ganz besonders schlimm wird es, wenn ich ihn zu "Wir waren da"-Fotos nötige. 
"Oh, hier an der Strandpromenade, vor den blau-weiß-geringelten Pavillons, da machen wir ein Selfie, ja?" Monsieur schnauft. Er mag nicht. Und er lacht auch nicht. Und WENN er lacht, habe ich garantiert die Augen zu. Im Laufe des Urlaubs betitele ich die Pärchen-Selfies als GGS, Grummelgesicht-Selfies.Auf diesen Bilder lächele ich, als gäbe es kein morgen mehr, so schmerzverzerrt, als hätte mir gerade jemand ins Knie geschossen. Einer muss es ja rausreißen.

Alle Selfies von uns sind GGS.

In meinem ebenfalls noch nicht veröffentlichten Beziehungsratgeber für Frauen Seine Schwächen akzeptieren und glücklich werden steht: "Geben Sie nicht auf, Beziehung ist Arbeit. Aber wenn Sie merken, dass es sich nur um kleine Schwächen handelt, leben Sie damit oder gehen Sie."

Dies beherzige ich und starte neben der Seefahrerkirche von Barfleur einen letzten Versuch, ein "Wir waren da"-Foto mit dem Leuchtturm von Gatteville im Hintergrund zu schießen. Per Selbstauslöser. Ich stelle die Kamera auf die Friedhofsmauer und habe 10 Sekunden Zeit, mich neben meinem (immer noch) Liebsten zu positionieren und rufe: "Cheeese."