30. August 2017

i-Dötzchen


Heute Morgen in der U-Bahn: Kleine Menschen, große Aufregung, bunte Schultüten mit Einhörnern und Dinos, stolze Eltern.
Das Mädchen mit dem schief gezogenen Scheitel und dem Blümchenkleid plappert aufgeregt, der Junge im hellblauen Hemd ist komplett verstummt und beißt die Lippen aufeinander.

Bild: Pinterest

Es ist der erste Schultag für die meisten I-Dötzchen in Nordrhein-Westfalen.
Zu meiner Zeit und in meiner Hochsauerländischen Heimat hieß das i-Männchen. Mit
"i-Männchen, Kaffeekännchen" veralberten uns die Zweitklässler, stolz ob ihrer Reife und Schulerfahrung, immerhin waren sie uns ein Jahr voraus. Ein Junge ärgerte uns besonders, ich konnte bis zum Abitur keine Sympathie für ihn entwickeln.

Nennen Sie mich nachtragend.

Besonders schlimm waren die Kopfbedeckungen, die wir zur Einschulung 1975 erhielten. Bommelmützen (es war Sommer) oder Kopftücher sollten wir auf unserem Schulweg tragen, damit uns die Autofahrer auch von Weitem erkennen konnten. Eine einzige Demütigung. Egal, für was wir uns entschieden, es sah behämmert aus. 
Die Mützen kratzten und die Kopftücher rutschten.

Auf ebay gibt es sie noch

Die Mädchen, die brav die Kopftücher trugen, hatten später eine 1 in Handarbeit.
Ich hatte mich für die Mütze entschieden und in Handarbeit eine 3, und dies auch nur, weil die Handarbeitslehrerin schon meinen Vater unterrichtet hatte und diesen wohl sehr mochte. Hochsauerländischer Klüngel. Die Mütze trug ich nur ein- bis zweimal, dann verschwand sie in die Untiefen meines Kleiderschranks.

Irgendwie habe ich mich größer in Erinnerung als die i-Dötzchen heute. Die sehen mit ihren großen Schulranzen so winzig aus. Warum heißt es überhaupt i-Dötzchen? Wikipedia schreibt, dass das i der Buchstabe gewesen sei, den die Schulanfänger als Erstes gelernt haben. Ist das heute auch noch so? Dotz heißt Punkt. i-Dotz entsprechend i-Punkt. Also begann für lauter kleine i-Punkte heute der Ernst des Lebens.

Ich wünsche allen Erstklässlern, dass sie ohne Angst in die Schule gehen, dass sie Lehrer und Lehrerinnen haben, die Kinder mögen. Dass sie Spaß haben und nicht verzweifeln, wenn sie mal keine 1 oder 2 schreiben.

Ich hatte in Handarbeit eine 3 und guckt mal, was aus mir geworden ist. :-)