17. Februar 2014

Lied Nr. 12

Er kommt spontan, ohne Vorankündigung: Dein Aufräumrappel. 
Eine leichte Unruhe, eine kurze Überlegung und schließlich: Eine Entscheidung. Das tut gut. Weg mit dem ollen Krempel, den du nicht mehr brauchst. Simplify your life. Ja. Sorge dich nicht, lebe. Genau.

Heute ist der Schrank mit den CDs dran. Da sind Tonträger dabei, die du überhaupt nicht mehr einordnen kannst. Die Namen mancher Interpreten sagen dir gar nichts. Kamala Sukosol zum Beispiel. Ah doch, das war die "international bekannte" etwas in die Jahre gekommene thailändische Diva, die deinen Kollegen und dir einen Gala-Abend in Bangkok mit ihrer Interpretation von Lady Marmelade versüßte.

Einige CDs fliegen im hohen Bogen direkt in den blauen Müllsack. Dish of the day von Fools Garden? Die hast DU bestimmt nicht gekauft! Manche CDs musst du erst einmal wieder hören, um dich zu erinnern. Blackjack, das Album von The Catfish. Jene amerikanische Zwei-Mann-Combo hatte dereinst recht professionelle Straßenmusik beim Stadtfest in Münster dargeboten, eine mitreißende Show mit Banjo, Waschbrett und E-Gitarre. Wilder Countryfolk. Bierselig entschieden dein Freund und du, dass diese Jungs irgendwann auf eurer Hochzeit aufspielen sollten. Und so steht auf dem Cover der CD mit Kuli gekrickelt "For B. and S. Hope to see you at your wedding day. Prof. Washboard ´95."
Dieses Unikum darf auf keinen Fall im Müll landen. Da hängen Erinnerungen dran. An ein extrem feuchtfröhliches Fest, an deine jugendliche Unbedarftheit und an eine unerfüllte Hoffnung. Von Professor Washboard.

Du kramst weiter deinen CD Stapel durch, die guten kommen auf den linken Stapel, die schlechten nicht ins Kröpfchen, sondern ins blaue Beutelchen. Man muss sich entscheiden. Und loslassen können. Oh. Hier. The very best of Sting & The Police. Da fällt mir fast zu jedem Song eine Geschichte ein. Ehrlich, meistens sind die musikalischen Erinnerungen sowieso mit Männern verbunden. Bei Every breath you take denkst du an B.C. (hey, nicht "before christ", sooo alt bist du nun auch wieder nicht!). Nein, an Boris C., mit dem du im Fetenraum unter der evangelischen Kirche namens Underchurch einen Endlosklammerblues tanztest. Jener Boris C. trug einen The Police-Button an seine Jeansjacke geheftet.

Beim Hören des Very best of...musst du natürlich auch an L. denken, deine erste ernsthafte Beziehung, die über vier Jahre andauerte. Er hatte mit Sicherheit eine der größten privaten LP Sammlungen überhaupt. Ohne erkennbare Musikrichtung, ohne Linie drin. Marius Müller-Westernhagen. Mother´s Finest. Konstantin Wecker. Led Zeppelin. Billy Joel. Udo Jürgens. Ella Fitzgerald. Und eben The Police und Sting. Du schenktest L. mit 17 deine Aufmerksamkeit und ein paar Wochen später deine Jungfräulichkeit aufgrund eines sehr professionell aufgenommenen und sogar anmoderierten Mixtapes. Mit Roxanne drauf.
L. wurde Jahre nach eurer Trennung Radiomoderator bei Antenne Münster und starb, kurz nach der Erfüllung seines Traumes, im Alter von 33 Jahren an einem Hirnschlag. Was wohl aus der wahnsinnigen LP Sammlung geworden ist?

Every breath you take ist dein all time favourite love song. Du erinnerst dich doch gut an das schlichte in schwarz-weiß gedrehte Video dazu, in dem Gordon Sumners Gesicht aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wurde. Sting als großer Junge mit Contrabaß, bevor aus ihm der meditierende Gutmensch wurde.

Und gerade jetzt hörst du Lied Nr. 12, Let your soul be your pilot.
Dieser Liedtitel kann so stehen bleiben. Damit ist alles gesagt. Besser geht´s nicht. Der ist so schön, dass du ihn dir am liebsten zwischen deine Schulterblätter tätowieren lassen möchtest.

Let your soul be your pilot wird fortan die Titelmelodie deines ganz persönlichen Films sein. Das hast du entschieden. Gerade eben. Einfach so.