13. März 2014
Neulich am Nacktbadestrand
Mit dem Urlaub verhält es sich so, dass sich Neuankömmlinge erst einmal akklimatisieren müssen.
Die Sonne ist unverschämt heiß, die Grillen rund um die Finca unverschämt laut, die Stille - wenn die Grillen nicht grillen - unverschämt leise. Das Bier schmeckt unverschämt hopfig, die Aioli unverschämt knofig. Alles irgendwie anders als zuhause. Und trotzdem schön.
Nach einem Tag der Akklimatisation lautet das Motto Wo bitte geht´s zum Strand?. Der Seat Ibiza wird bepackt, er stolpert durch Schlag- löcher über eine staubige Schotterstraße, vorbei an einem Mamahuhn mit Küken, die gefährlich nah am Straßenrand entlang hüpfen. Auf einer Wiese steht ein einsamer Esel und ruft nach Gesellschaft, am besten weiblicher.
Es Trenc ist der schönste und längste Naturstrand der Insel. So steht es in sämtlichen Reiseführern. Auf der Suche nach einem Parkplatz stellen dein Lebens-/Reisebegleiter und du fest, dass ihr nicht die einzigen Menschen seid, die Reiseführer lesen. Du erinnerst dich an Konfuzius und "der Weg ist das Ziel" und irgendwie stimmt das auch. Der feine weiße Sand und das türkisblaue Meer wollen sich schließlich verdient werden.
Nach einem Weg entlang vieler, vieler geparkter Autos, deren Besitzer vermutlich gegen 7 Uhr aufgestanden sind, um diese Parkplätze zu ergattern und einem kurzen Stopp an einem Kiosk (deutsche Zeitung, spanisches Wasser), erreichen die Badelustigen den Strand. Ein Blick, ein Wow, zum einen der traumhaften Natur, zum anderen der Menschenmassen wegen. Der erfahrene Urlauber weiß, dass die meisten Miturlauber gar zu bequem sind, sich von der Liege vor der Beachbar weg zu bewegen. Stattdessen nehmen sie in Kauf, dass sie vom Sonnenspray, das der Liegennachbar benutzt, gleich mit eingesprüht werden. Die spinnen, die Urlauber!
Die Suche nach einem halbwegs überschaubaren Strandabschnitt führt wadentief durchs herrliche Wasser. Wir lassen Blicke schweifen und überlegen, ob es gut wäre, hier zu liegen. Oder doch besser dort.
Tatsächlich gibt es noch Plätzchen im Sand, vor den Dünen, mit fast unverbauter Sicht auf´s Meer. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang mit der spärlichen Bekleidung der Sonnen-hungrigen und den noch verfügbaren Liegemöglichkeiten. Nicht jeder macht sich gern ganz nackig. Muss man ja auch nicht. Ist es nicht schon peinlich genug, dass sich die körpereigene Farbe kaum vom Weiß des Sandes abhebt. Die neuangereisten Urlauber fühlen sich wie in einem Suchbild. Frau hat die Fast-nackt-Option mit "Oben ohne". Für die Herren gilt "Ganz oder gar nicht". Har!
Wir beobachten im Laufe des sonnig-heißen Nachmittages folgende Stufen des Nacktseins:
1. Nackt sonnen, zum Schwimmen Badekleidung tragen.
2. Nackt sonnen und nackt schwimmen.
3. Nackt sonnen, nackt schwimmen und aufrecht(!) nackt am Strand stehen.
4. Nackt sonnen, nackt schwimmen und nackt auf einem Hügel stehen und auf Besuch warten (dies bezog sich auf den Strandabschnitt, an dem vornehmlich wohl gestaltete Herren zugegen waren).
5. Nackt sonnen, nackt schwimmen, nackt am Strand stehen und nackt den kompletten Strand von Beachbar zu Beachbar gehen.
Aus der Fraktion 5 begegnet uns bei einem Spaziergang durchs Wasser am Strand entlang (in Badekleidung, wir werden den ganzen Urlaub nicht über Stufe 2 hinaus kommen, wir Spießer), ein besonders sehenswertes Exemplar seiner Gattung. Der Lebens-/Reisebegleiter hätte es beinahe übersehen, obwohl ich "links, links, guck bitte links, auf 10 Uhr" mehr als laut von mir gebe.
Ein Mann, Mitte 50, auberginenbraun, nur eine Sonnenbrille tragend, nun ja, nicht ganz. Es scheppert ein wenig. Piercings in Ringform an den Brustwarzen (ja, gähn, die trägt heutzutage fast jede Hausfrau) plus jeweils drei Ringe in jedem der cojones plus ein Ring vorn, da wo der Mann für gewöhnlich recht empfindlich ist. Durch alle Ringe ist eine feine silberne Kette gezogen, was der Redewendung an die Kette legen eine weitere Konnotation gibt. Denn wenn ich "zufällig" mit meinem Beach-Rucksack die Kette berühren würde, wäre der Stufe 5-Mann sicher ganz aus dem Häuschen.
Der Lebens-/Reisebegleiter verzieht schmerzhaft das Gesicht, obwohl er gar keinen derartigen Körperschmuck trägt, ist aber gleichwohl amüsiert. Wir sehen den Mann nur dieses eine Mal und fragen uns später, ob Ringo Star mit seinem Schmuck im Dünengras hängen geblieben ist.
Dagegen wirkt Boulevard-Schauspieler Herbert Hermann, der seinen Strandtag auf einer Liege inmitten deutscher und britischer Touristen verbracht hat, geradezu unspektakulär.