15. Februar 2018

Zucchini


Gestern Vormittag fliegt unsere Reisebürotür auf.
Der Kassierer des Supermarkts meines Vertrauens geht direkt auf meinen Schreibtisch zu.

"Hallo, Frau Meyer, haben Sie gestern Abend eine Zucchini bei uns liegenlassen?"

Der Mann weiß, wo ich arbeite, denn er hat sich schon einmal nach einer Reise erkundigt. Eine Bahnfahrt an die Ostsee sollte es damals sein. Zu einem Ort, an dem es die besten Fischbrötchen der Welt gibt. Morgens hin, abends zurück, nur um ein, zwei Fischbrötchen zu essen.

Der Mann weiß auch, wie ich heiße. 
Er heißt nämlich genauso. 
Natürlich nur mit Nachnamen.
Auch mit ey. Wie es sich gehört.

Wenn ich mittags oder abends meine Waren auf sein Band lege, begrüßt er mich immer mit "Hallo, Frau Meyer!" Ich antworte dann "Hallo, Herr Meyer!" und bemerke, dass diese Begrüßung zu Verwirrungen der Supermarktkollegen und Kunden, die hinter mir anstehen, führt. Ich frage mich oft, ob die sich wohl fragen, woher wir uns kennen. Ob die glauben, dass wir verwandt sind oder verbandelt und uns necken, indem wir uns siezen. Letzteres wäre mir unangenehm. Ich meine, hallo, für ein Fischbrötchen an einem Tag von Düsseldorf an die Ostsee und zurück!

Und eigentlich heißt es ja Zucchino. Einzahl.
"Hallo Frau Meyer, haben Sie gestern Abend einen Zucchino bei uns liegenlassen?"
Das sagt aber kaum einer. Genauso wie die meisten zwei Cappuccino bestellen oder besser noch: Zwei Cappuccinos.
"Ich bin gestern Abend mit der Zucchini noch hinter Ihnen hergelaufen, aber ich habe Sie nirgends sehen können."

Für meinen Stechschritt bin ich schon häufiger gerügt worden. "Du hast einen Schritt drauf, da kommt man gar nicht hinterher." Ich empfinde Trödeln oft als Zeitvergeudung, dabei täte mir etwas mehr Müßiggang sicher gut. So mental.


Der Supermarktkassierer schlägt vor, dass ich in der Mittagszeit zu ihm an die Kasse komme und mir eine Zucchini abhole. Das finde ich extranett von meinem Namensvetter.

Als ich Herrn Meyer an der Kasse frage, ob er meine Zucchini (ich sag nicht Zucchino, sonst fühlt er sich eventuell veräppelt) irgendwo deponiert hat, meint er: "Ach, nehmen Sie sich einfach eine neue."

Vor der Zucchinikiste bleibe ich ratlos stehen.
Dieses Gemüse ist doppelt so groß wie das, was ich gestern liegengelassen habe. Als hätte über Nacht eine Genmanipulation stattgefunden.

Zutschini - selbst geknipst von Frau Meyer

Ich suche den kleinsten Zucchino der riesigen Zucchini heraus und verlasse den Supermarkt. Nicht ohne schlechtes Gewissen.

"Schönen Tag noch, Frau Meyer!" ruft Herr Meyer hinter mir her. Ich winke zum Abschied mit meiner Zucchini, pardon, mit meinem Zucchino.

Zucchino, Zucchini - ist doch egal.

Ich freue mich, dass es in großstädtischen Supermärkten einen Kassierer gibt, der weiß, wie die Frau heißt, die die Zucchini vergessen hat, und wo sie arbeitet.

Ich freue mich, dass Düsseldorf ein Dorf ist.