29. August 2019

Mein erster Schultag



Noch wenige freie Plätze für das Einschulungsbuffet!

Ich dachte, mich haut es vom Fahrrad, als ich neulich mit meiner Mutter eine Tour machte und dieses Schild am Eingang eines Hotel-Restaurants las.

1975 gab es kein Einschulungsbuffet.
Auch nicht im Hotelbetrieb meiner Eltern.
Die waren im Dauerstress, mein Vater hatte noch nicht einmal Zeit, mich zu meiner Einschulung zu begleiten.
Der musste Zwiebeln schälen und Saucen ansetzen.
Meine Mutter war in der Lage, aus Ihrem Kittel in ein schickes blau-weiß gestreiftes Kleid zu hüpfen, mir meine mit vielen Süßigkeiten und Buntstiften gefüllte Schultüte in die Arme zu drücken und mit mir in das Evangelische Gemeindezentrum zur Einschulungsfeier zu gehen.

War das aufregend. 
Stolz trug ich meine Tüte herum, Trophäe und Zeichen, dass ich nun ein echtes Schulkind war. Ich winkte meinen Freundinnen zu. Zum Glück war ich nicht allein hier und kannte schon einige Kinder.

Die Großen, also die Zweitklässler, sangen ein schmissiges Lied zur Begrüßung. "Montags um 8, um 8, um 8, da sind wir in der Schule, dort rutschen wir um 8, um 8, um 8 auf unserem Wackelstuhle." Die großen Jungs hänselten uns die nächsten Tage noch und riefen  
"I-Männchen, Kaffeekännchen"
Ich bin aber diskret und werde hier nicht ihre Namen nennen. Ich bin nun wirklich nicht nachtragend.
Bernd S., Jens K. und Stefan D. werden sich bestimmt gar nicht mehr daran erinnern. 

Ein Foto von diesem wichtigen Tag wurde auch gemacht. Allerdings nicht mit meiner eigenen Schultüte (blauer Filz mit buntem Clown darauf). Fotograf Werner hatte eine rote Allround-Fotoschultüte für die Mädchen und eine blaue für die Jungen. Sommerferienbraun blinzelte ich gegen die Sonne und setze mein schönstes Ex-Kindergartenkind-Lächeln auf.

Frau Meyer im Sommer 1975

Ich war glücklich. Endlich ging es los mit dem Lesen und dem Schreiben. Meinen Namen, den meines kleinen Bruders und Mama und Papa konnte ich schon. 

Strümpfe hochziehen konnte ich offenbar nicht.

Die Kombi aus Blümchenkleid, blauen Socken und gelben Sandalen erscheint mir im Nachhinein als modisches Wagnis. Die gelben Sandalen sorgten im darauffolgenden Sommer für ein großes Hallo, als mein Vater sie mit seinem Aufsitzrasenmäher schredderte und dieser repariert werden musste.

Mein Schulranzen bestach in den Farben knallgrün und knallgelb. Einhörner, der Hase Felix, Elsa aus Frozen, Ninja Go gab es genauso wenig auf den Tornistern wie Buffets nach der Einschulung.

Stattdessen fragte ich mich den ganzen ersten Schultag lang, wann denn nun der Ernst des Lebens vorbeikommen würde, den die Erwachsenen angekündigt hatten.

Er kam aber nicht.

Allen Kindern, die heute in Nordrhein-Westfalen eingeschult wurden, wünsche ich viel Spaß beim Spielen und Lernen und Lehrer und Lehrerinnen, die euch zuhören, wenn euch etwas auf dem Herzen liegt.

Und auf diesen Ernst da braucht ihr gar nicht zu warten.
Der kommt irgendwann.
Ganz von selber.