28. Dezember 2021

Ein Mantel namens Vanessa

Da.

Da ist er wieder.

Der Mantel.

Ein Übergangsmantel, von denen frau ja nie in ausreichender Anzahl im Schrank haben kann. Er trägt den Namen Vanessa. Mit trendgerechten großen Karos in den Farben beige, weiß und schwarz, was quasi zu ALLEM passt. Getragen von einem Model, das aussieht wie ich (schlank, jung, hübsch, strahlend, blondes mittellanges Haar).

Das Push Marketing führt mich auf die Homepage der Firma. Die Seite des Unternehmens ist sehr ansprechend gestaltet. So ein bisschen Landlust trifft emanzipierte Großstadtfrau.

Ach, kommen Sie, Sie hätten auch geklickt.

Dem Impressum entnehme ich, dass der Firmensitz München ist. München ist eine solide deutsche Stadt. Die Firma heißt wie die Firmeninhaber. Ackermann. Ein solider deutscher Name. Das klingt nach faire Arbeitsbedingungen und fröhlich nähenden bayerischen Damen.

Als Übergangsmanteljunkie werde ich mit einer nicht unerheblichen Preisreduzierung angefixt, dann noch der Hinweis auf 100 % Zufriedenheitsgarantie und natürliche Ressourcen. Und ehe ich mich´s versehe, klicke ich auf KAUFEN.

Das war Ende September.

In der dritten Oktoberwoche frage ich höflich per Mail beim soliden deutschen Unternehmen nach dem Verbleib meines Mantels namens Vanessa. Schließlich befinden wir uns mitten in der Übergangsmantelzeit. Mich fröstelt es bereits. 

Keine Antwort.

Zwei Wochen später frage ich erneut, nicht ohne meinen Verdacht zu äußern, dass es sich bei Ackermann Moden gar nicht um eine solide Firma handeln möge.

Keine Antwort.

Weitere zwei Wochen später greife ich zur Daunenjacke und glaube nicht mehr an den Erhalt meines Mantels für die Übergangszeit. Da erinnere ich mich an die mitgeschickte Trackingnummer und werde auf die Seite von Yun Express weitergeleitet. Die Ware befindet sich in Zhejiang. Das ist recht weit von München entfernt. Um genau zu sein, befindet sich Zhejiang in der Volksrepublik China.

Gerade will ich ansetzen, eine weitere Email an Ackermann Moden zu senden, da fliegt die Tür auf und ein DHL Bote reicht mir ein Päckchen.

Hurra, der Mantel ist da!

Beim Öffnen der Folie schlägt mir ein beißender Geruch entgegen. Ich erinnere mich an eine TV-Dokumentation und ungeschützte Gesichter chinesischer Textiltagelöhner, die mit Säuren und Bleichen hantieren.

Natürliche Ressourcen hatte ich mir anders vorgestellt.

Der auf der Homepage angepriesene Mantel sah aus wie eine wollener dicker Strickmantel. Das vor mir ausgebreitete Kleidungsstück stinkt nicht nur bestialisch, es ist auch eine echte Beleidigung fürs Auge. 

In meiner Wut vergesse ich leider, ein Foto davon zu machen, schreibe aber in meiner vierten Mail an das Unternehmen, dass jedes Clownskostüm von Woolworth für 9,99 Euro eine bessere Passform und wesentlich mehr Eleganz aufweise als das mir nach Monaten zugesandte Stück schlecht bedruckten Malervlieses im Wert von 44,99 Euro.

Auch auf diese Mail von mir gibt es selbstverständlich keine Antwort.

Will ich diese Beleidigung von einem Mantel behalten?

Natürlich nicht.

Ich mache mir jetzt die Mühe, mich durch die mit Schreibfehlern gespickten AGB zu kämpfen. Schnell wird mir bewusst, dass ich das vor dem Kauf hätte machen sollen. Das Wichtigste in Kürze: Reduzierte Ware muss nach China geschickt werden, für den ganzen Aufwand wird eine Gebühr in Höhe von 25,99 Euro berechnet, außerdem noch eine weitere Gebühr in Höhe von 9,95 Euro für wasauchimmer. Ein Retourenschein wurde nicht mitgeschickt, den soll man sich herunterladen. Das funktioniert nicht. Außerdem steht in dem Endlostext von AGB, dass es ja sein könne, dass die Ware nicht ankäme. Bei der Post soll ich knapp 16 Euro für den Rückversand zahlen.

Die Kopfrechner unter Ihnen haben es sicher erkannt, und selbst ich mit meiner Beton 5 in Mathe bemerke, dass die Summe der oben genannten Rückversandkosten den eigentlichen Kaufpreis übertrifft. 

100 % Zufriedensheitgarantie

Für den Verkäufer.

Meine Halsschlagader pulsiert derartig, dass ich mich eher zu einer freiwilligen Wurzelresektion bei meinem Zahnarzt angemeldet hätte als diesen *Piiiiiiep* zu behalten. 

Ich ziehe es durch.

Die Bewertungen von Mode Ackermann oder Ackermann Mode auf Trustpilot geben mir den Rest. Ich konsumgetriebenes Doofi! 

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser oder besser Vertraue, aber prüfe nach soll ein Zitat von Lenin sein. 

Jetzt weiß ich nicht, ob Lenin online geshoppt hat. Er hatte auf jeden Fall recht.

Wenn Sie also immer wieder, während Sie auf Social Media unterwegs sind, von Push Werbung penetriert werden, hier mein Rat:

Holen Sie sich einen Tee oder Kaffee und einen Keks.

Genießen Sie Ihr Getränk und das Gebäck und atmen Sie tief durch.

Dann fragen Sie sich, ob Sie das angepriesene Teil wirklich brauchen oder ob Sie das nicht in so ähnlich bereits besitzen?

Hinterfragen Sie Ihre Gefühle und - vor allem - hinterfragen Sie das Unternehmen, dass das Begehren in Ihnen auslöst.

Zur Kontrolle empfehle ich trustpilot und diese Seite der Verbraucherzentrale Hamburg.

Es grüßt Frau Meyer (ohne Mantel Vanessa, aber um eine Erfahrung reicher)


P.S. Die Homepage, über die ich "Vanessa" bestellt habe, ist übrigens nicht mehr existent.