Meine Tour de Kur war nach zehn Tagen – viel zu früh – zu Ende gegangen.
Frische Luft, Berge, endlos weite Wiesen, Gebirgsflüsse, Radwege, Gipfel, eine
herrliche Natur musste ich hinter mir lassen. Leider auch das Verwöhnprogramm
des Gesundheitshotels Schüle, früher übrigens als „Kneippkurhaus Christliches
Hospiz“ bekannt. Gesund verpflegt und gepflegt werden, Menschen, die fragen, ob
man sich wohlfühlt, Freizeit, die ich selbst gestalten konnte, das hatte einfach
gut getan. Ich hoffte, dass ich von der Erholung möglichst lange Zuhause zehren
und dass ich das Thema Bewegung in meinen Alltag einbauen können würde.
Wassergymnastik hatte mir Spaß gemacht. Die moderne Form des
Aqua-Power-Trainings würde ich demnächst versuchen.
Motiviert durchforstete ich das Internet nach Möglichkeiten im Wasser zu
trainieren und stieß auf das Angebot der Münster-Therme, gleich bei mir um die
Ecke. Diese kannte ich bisher nur von gelegentlichen Saunabesuchen und vom
Schwimmen. Donnerstag wird vormittags Wassergymnastik angeboten, also bin ich
hin. Nur nicht einknicken nach 10 Tagen Aktivität im Allgäu. Die erste
Verwirrung tauchte an der Kasse auf. „Es gibt keine freien Damenkabinen mehr“.
Für mich war das kein Problem, es gab ja Sammelumkleiden.
Die Schwimmhalle der
Münster-Therme ist sehenswert, Elemente aus Gründerzeit und Jugendstil verleihen
ihr historischen Charme. Heute war die Schwimmhalle vor allen Dingen hörenswert.
Die zu 90 % aus agilen Senioren bestehenden Badegäste sorgten aufgrund ihrer
Kommunikationslust für ordentlich Lärm, der durch die Halle schallte. Im
Nichtschwimmerbecken versammelten sich mehr und mehr Damen und wenige Herren zur
Wassergymnastik. „Ich habe heute eine neue Welle bekommen, deswegen die Haube“,
erklärte eine Dame ihren Freundinnen. „Das neue Enkelchen schon da? Na,
herzlichen Glückwunsch. Was isset denn jeworden?“ „Pflaumenkuchen gibbet bei
dir? Hefe- oder Mürbeteig?“ Einige der Gymnastikteilnehmerinnen waren offenbar
Stammgäste der Münster-Therme, eine rief mit strenger Stimme: „Die Gymnastik ist
nur für die Leute mit den roten Bändchen“. Ich hatte einen Euro in das Bändchen
an meinem Handgelenk investiert, durfte also im sehr vollen Nichtschwimmerbecken
bleiben.
Die Therapeutin startete pünktlich die Musik und begann die Übungen am
Beckenrand vorzuturnen. Trotz Kopfhörer mit Mikrofon konnte ich die junge Dame
kaum verstehen. „Wir ziehen die Knie hoch, hoch, hoch, noch zehn, noch
neun...Nee, meine Kinder kommen zum Grillen...noch sechs, noch fünf...Bauchspeck
und Würstchen...noch zwei, noch eins. Und jetzt ziehen wir die Knie seitlich
hoch, hoch, ...ja, mein drittes Enkelchen, ne Jong, Lukas...und wir gehen auf
der Stelle und kreisen die ....brauchst nicht zu mähen, soll doch Gewitter
geben...und jetzt vor, vor, vor, vor und zehn...nee, mit Streuseln, das mag mein
Mann lieber...noch zwei, noch eins und Arme hängen lassen...Hedwig hat sich ene
E-Bike jekauft, is mir zu teuer...und die Arme seitwärts strecken...“
Ich hatte schon vor Beginn der Gymnastikstunde geahnt, dass hier vor allem
die Gesichts- und insbesondere die Kiefermuskulatur trainiert wurde. Unter
Wasser wurde von den Damen rechts neben mir nicht geturnt, nur halbherzig auf
der Stelle gehüpft, damit sie besser quatschen konnten. Ich kannte dieses
Verhalten schon von den Schwimmausflügen mit meinem Vater im Sole-Bad von Bad
Waldliesborn. Diese dienten ebenfalls mehr den Sozialkontakten als der
körperlichen Ertüchtigung. Und diese Sozialkontakte hatten ihre Berechtigung,
nach der Gymnastik wurde sich umarmt und freundlich ein schönes Wochenende
gewünscht.
Ich ging nach draußen ins Soleaußenbecken, das wegen des schönen Wetters
ziemlich überfüllt war. Auf den Sprudelsitzen war kein Platz mehr, also hockte
ich mich einfach an den Beckenrand und wartete, dass die Sitze nach der
Sprudelsession frei gemacht wurden. Eine Dame ließ sich mit geschlossenen Augen
auf dem Sole-Wasser treiben. Eine andere Badende unterbrach ihr Gespräch mit
ihren Schwimmfreundinnen und tippte die Treibende an. „Sindse noch da?“ Diese
schrak aus ihrer Entspannung hoch. „Ja, warum?“ – „Tja, vor ein paar Monaten
trieb auch eine Frau im Wasser, da drüben (sie zeigte in meine Richtung), die
lebte nicht mehr. Seitdem tippe ich immer alle an, die länger auf dem Wasser
liegen, und frage, ob sie noch da sind. Vorsichtshalber.“
Ich ergatterte einen
freien Platz auf einer Sprudelliege und ließ mich vom Wasser massieren.
Wunderbar. Düstere Gedanken wurden weggeblubbert. Ich fragte mich auch nur für
einen klitzekleinen Moment, wie häufig wohl das Wasser im Soleaußenbecken
ausgetauscht wird.
:-)
Münster-Therme, Münsterstraße 13, 40477 Düsseldorf
DI 06:30 - 21:00, MI 06:30 - 22:00, DO 06:30 - 21:00, FR 06:30 - 22:00 SA
08:00 - 17:00, SO 08:00 - 17:00
Wassergymnastik DI + DO 11:00 - 11:30 Uhr, FR 18:00 - 18:30