23. Februar 2014

Sindse noch da?

Meine Tour de Kur war nach zehn Tagen – viel zu früh – zu Ende gegangen. Frische Luft, Berge, endlos weite Wiesen, Gebirgsflüsse, Radwege, Gipfel, eine herrliche Natur musste ich hinter mir lassen. Leider auch das Verwöhnprogramm des Gesundheitshotels Schüle, früher übrigens  als „Kneippkurhaus Christliches Hospiz“ bekannt. Gesund verpflegt und gepflegt werden, Menschen, die fragen, ob man sich wohlfühlt, Freizeit, die ich selbst gestalten konnte, das hatte einfach gut getan. Ich hoffte, dass ich von der Erholung möglichst lange Zuhause zehren und dass ich das Thema Bewegung in meinen Alltag einbauen können würde. Wassergymnastik hatte mir Spaß gemacht. Die moderne Form des Aqua-Power-Trainings würde ich demnächst versuchen.

Motiviert durchforstete ich das Internet nach Möglichkeiten im Wasser zu trainieren und stieß auf das Angebot der Münster-Therme, gleich bei mir um die Ecke. Diese kannte ich bisher nur von gelegentlichen Saunabesuchen und vom Schwimmen. Donnerstag wird vormittags Wassergymnastik angeboten, also bin ich hin. Nur nicht einknicken nach 10 Tagen Aktivität im Allgäu. Die erste Verwirrung  tauchte an der Kasse auf. „Es gibt keine freien Damenkabinen mehr“. Für mich war das kein Problem, es gab ja Sammelumkleiden. 

Die Schwimmhalle der Münster-Therme ist sehenswert, Elemente aus Gründerzeit und Jugendstil verleihen ihr historischen Charme. Heute war die Schwimmhalle vor allen Dingen hörenswert. Die zu 90 % aus agilen Senioren bestehenden Badegäste sorgten aufgrund ihrer Kommunikationslust für ordentlich Lärm, der durch die Halle schallte. Im Nichtschwimmerbecken versammelten sich mehr und mehr Damen und wenige Herren zur Wassergymnastik. „Ich habe heute eine neue Welle bekommen, deswegen die Haube“, erklärte eine Dame ihren Freundinnen. „Das neue Enkelchen schon da? Na, herzlichen Glückwunsch. Was isset denn jeworden?“ „Pflaumenkuchen gibbet bei dir? Hefe- oder Mürbeteig?“  Einige der Gymnastikteilnehmerinnen waren offenbar Stammgäste der Münster-Therme, eine rief mit strenger Stimme: „Die Gymnastik ist nur für die Leute mit den roten Bändchen“. Ich hatte einen Euro in das Bändchen an meinem Handgelenk investiert, durfte also im sehr vollen Nichtschwimmerbecken bleiben.

Die Therapeutin startete pünktlich die Musik und begann die Übungen am Beckenrand vorzuturnen. Trotz Kopfhörer mit Mikrofon konnte ich die junge Dame kaum verstehen. „Wir ziehen die Knie hoch, hoch, hoch, noch zehn, noch neun...Nee, meine Kinder kommen zum Grillen...noch sechs, noch fünf...Bauchspeck und Würstchen...noch zwei, noch eins. Und jetzt ziehen wir die Knie seitlich hoch, hoch, ...ja, mein drittes Enkelchen, ne Jong, Lukas...und wir gehen auf der Stelle und kreisen die ....brauchst nicht zu mähen, soll doch Gewitter geben...und jetzt vor, vor, vor, vor und zehn...nee, mit Streuseln, das mag mein Mann lieber...noch zwei, noch eins und Arme hängen lassen...Hedwig hat sich ene E-Bike jekauft, is mir zu teuer...und die Arme seitwärts strecken...“ 

Ich hatte schon vor Beginn der Gymnastikstunde geahnt, dass hier vor allem die Gesichts- und insbesondere die Kiefermuskulatur trainiert wurde. Unter Wasser wurde von den Damen rechts neben mir nicht geturnt, nur halbherzig auf der Stelle gehüpft, damit sie besser quatschen konnten. Ich kannte dieses Verhalten schon von den Schwimmausflügen mit meinem Vater im Sole-Bad von Bad Waldliesborn. Diese dienten ebenfalls mehr den Sozialkontakten als der körperlichen Ertüchtigung. Und diese Sozialkontakte hatten ihre Berechtigung, nach der Gymnastik wurde sich umarmt und freundlich ein schönes Wochenende gewünscht.

Ich ging nach draußen ins Soleaußenbecken, das wegen des schönen Wetters ziemlich überfüllt war. Auf den Sprudelsitzen war kein Platz mehr, also hockte ich mich einfach an den Beckenrand und wartete, dass die Sitze nach der Sprudelsession frei gemacht wurden. Eine Dame ließ sich mit geschlossenen Augen auf dem Sole-Wasser treiben. Eine andere Badende unterbrach ihr Gespräch mit ihren Schwimmfreundinnen und tippte die Treibende an. „Sindse noch da?“ Diese schrak aus ihrer Entspannung hoch. „Ja, warum?“ – „Tja, vor ein paar Monaten trieb auch eine Frau im Wasser, da drüben (sie zeigte in meine Richtung), die lebte nicht mehr. Seitdem tippe ich immer alle an, die länger auf dem Wasser liegen, und frage, ob sie noch da sind. Vorsichtshalber.“ 

Ich ergatterte einen freien Platz auf einer Sprudelliege und ließ mich vom Wasser massieren. Wunderbar. Düstere Gedanken wurden weggeblubbert. Ich fragte mich auch nur für einen klitzekleinen Moment, wie häufig wohl das Wasser im Soleaußenbecken ausgetauscht wird.

:-)
Münster-Therme, Münsterstraße 13, 40477 Düsseldorf
DI 06:30 - 21:00, MI 06:30 - 22:00, DO 06:30 - 21:00, FR 06:30 - 22:00 SA 08:00 - 17:00, SO 08:00 - 17:00
Wassergymnastik DI + DO 11:00 - 11:30 Uhr, FR 18:00 - 18:30